Fachtagung von False Memory Deutschland
Am 09.11.2018 fand im Literaturhaus in Frankfurt eine von False Memory Deutschland e. V. veranstaltete Fachtagung für Psychotherapeuten statt mit dem Titel
Falsche Erinnerungen an sexuellen Missbrauch
Wie entstehen sie? Was verursachen sie? Wie können sie vermieden werden?
Die Tagung wurde eröffnet von Federico Avellán-Borgmeyer mit der Begrüßung der Teilnehmer und der kurzen Schilderung von zwei Fällen, die den Zuhörern das Anliegen der Tagung deutlich und hautnah nahebrachten.
Der folgende Beitrag von Herrn Dr. Thomas Knecht vom Spitalverbund Appenzell-Außerrhoden gab einen sehr guten Überblick über die Probleme mit therapeutisch erzeugten falschen Erinnerungen, und wie sich dieses Problem aus der Tradition der Psychotherapie und speziell der Freudschen Psychoanalyse und der niemals wissenschaftlich untermauerten These von der Verdrängung entwickelt hat.
Der aktuelle wissenschaftliche Stand zu diesem Thema beschäftigte anschließend Frau Dr. Sauerland von der Universität Maastricht. Ihr Beitrag zeigte, dass die Entwicklung, die in den 90er Jahren in den USA zu den sogenannten Memory Wars führte, keineswegs überwunden ist. Wissenschaftliche Ergebnisse konnten den aktuellen Kenntnisstand der Psychotherapeuten zu Themen wie Verdrängung oder Hypnose seitdem nicht entscheidend beeinflussen. Insbesondere zeigen heutige Untersuchungen, dass allein die Erwähnung möglichen sexuellen Missbrauchs in einer Psychotherapie die Wahrscheinlichkeit der Bildung falscher Erinnerungen dramatisch steigert.
Prof. Dr. Hans Stoffels, Berlin, stellte anschließend dar, wie die Bildung falscher Erinnerungen an sexuellen Missbrauch mit der Attraktivität eines Opferstatus zusammenhängt. Seine Schlussthese, dass der Psychotherapeut suggestive Wirkungen gar nicht vermeiden kann, zeigt auf, dass Psychotherapie hier ein Gang auf Messers Schneide ist.
Prof. Dr. Michael Utsch von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschaungsfragen zeigt in seinem Beitrag auf, dass ideologisch geprägte Umgebungen die Deutung der Wirklichkeit und damit auch die Möglichkeit zur Entstehung falscher Erinnerungen entscheidend beeinflussen.
Ein Schlüsselbeitrag in dieser Tagung war die Darstellung von Heidemarie Cammans zur Beratungsarbeit bei False Memory Deutschland. Besonders wichtig war dabei, wie sorgfältig sie die Frage handhabt, ob es sich bei den Personen, die sich als zu Unrecht Beschuldigte an FMD wenden, möglicherweis um Täter handeln könnte. Nach diesem Beitrag musste es allen Zuhörern klar sein: Diesen Leuten von FMD ist es wirklich ernst mit ihrer Arbeit und der Abgrenzung gegenüber missbräuchlicher Inanspruchnahme.
Die beiden Schlussbeiträge von RA Jürgen Zillikens und der forensischen Sachverständigen Dr. Susannen Cordes-Welzel wandten sich den möglichen Folgen von Falschbeschuldigungen des sexuellen Missbrauchs zu. Sie zeigten, in teils drastischer Weise, wie gefährlich es auch für Unschuldige sein kann, in strafrechtliche Verfolgung zu geraten, deren Folgen selbst bei einem Freispruch irreparabel sein können. Sie zeigten aber auch, dass versierte Anwälte und Sachverständige eine Verurteilung zu Unrecht mit hoher Wahrscheinlichkeit abwenden können.
Das Publikum folgte den Ausführungen bis zum Schluss mit Konzentration und mit vielen wichtigen Diskussionsbeiträgen. Es war eine Veranstaltung mit hochkarätigen Vorträgen, die eine breitere Beteiligung von Psychotherapeuten verdient hätte.