Das Herbstseminar 2019 von False Memory Deutschland begann am Samstagmorgen wie üblich mit der Vorstellung der Teilnehmer. Da es dieses Mal trotz einiger Absagen im letzten Moment ungewöhnlich viele Teilnehmer waren, musste sich jeder sehr knapp fassen. Auch dieses Mal kam das unfassbare Maß an Leid zum Ausdruck, das wohlmeinende Therapeuten über Familien bringen können.
Das Programm des Nachmittags begann dann mit einem Vortrag von Herrn Jürgen Voß zum Thema Multiple Persönlichkeitsstörung als Folge sexuellen Missbrauchs? Herr Voß hatte über ein gutes Dutzend Anträge nach dem Opferentschädigungsgesetz entscheiden müssen, die von sogenannten multiplen Persönlichkeiten gestellt worden waren, weil sie sich als Opfer sexuellen Missbrauchs in der Kindheit darstellten. Doch auch nach sehr sorgfältiger Untersuchung konnte in keinem Fall der Missbrauch nachgewiesen werden. Die angeblichen Nachweise erwiesen sich als teilweise recht skurrile, unbeweisbare Behauptungen. Die Anträge wurden entweder zurückgezogen oder abschlägig beschieden.
Der folgende Vortrag von Prof. Dr. Petra Hasselmann über Rituelle Gewalt im Kontext falscher Erinnerungen stand insofern in engem Zusammenhang mit dem Vortrag von Herrn Voß, als sie im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit eine Reihe angeblicher Opfer ritueller Gewalt befragt hatte, die sich zu großem Teil auch als multiple Persönlichkeiten verstehen. Dabei kann man feststellen, dass den Überzeugungen der Opfer und ihrer Therapeuten von der Existenz im Untergrund arbeitender Täternetzwerke keinerlei Nachweise der Strafverfolgungsbehörden gegenüberstehen. Was dabei aber oft nicht berücksichtigt wird, ist das tatsächliche Leid der Betroffenen.
Letzter Programmpunkt des Tages war der – gegenüber dem ursprünglichen Programm vorgezogene – Bericht von Federico Avellán-Borgmeyer über die Arbeit von False Memory Deutschland im letzten halben Jahr. Wichtigster Punkt: Die Veröffentlichung im Spiegel hatte zur Folge, dass eine ungewöhnlich große Zahl von Betroffenen von unseren Beratern betreut werden musste. Immerhin haben wir innerhalb eines Jahres etwa hundert neue Beratungsfälle gehabt. Das große Interesse zeigte sich auch in einer vervielfachten Frequenz der Webseitenaufrufe.
Das Programm am Sonntagmorgen begann mit der Darstellung eines Elternpaares, deren Sohn bzw. Adoptivsohn sich nach jahrelangem Kontaktabbruch ihnen wieder genähert hatte. Die Fallschilderung zeigte, wie überaus schwierig es ist, das verlorengegangene Vertrauen wiederherzustellen.
Der letzte Programmpunkt Die Fallstricke beim Gespräch! wurde von unserem Berater Andreas Müller bestritten, der anhand des Vier-Ohren-Modells (Schulz von Thun) zeigte, wie eine bestimmte Information auf unterschiedlicher Ebene gesendet und ebenso unterschiedlich aufgenommen werden kann. Die Hauptregel für eine gute Verständigung ist daher, dafür zu sorgen, dass der Austausch beim Sender und beim Empfänger auf der gleichen Ebene stattfindet. Wenn aber z.B. eine sachlich beabsichtigte Information als Appell aufgefasst wird, ist das Missverständnis vorprogrammiert. Andreas brachte als Beispiel das Protokoll eines von ihm selbst geführten Gesprächs, in dem er gegen die Hauptregel immer wieder verstoßen hatte.