Pabst Science Publishers, 2017, 116 Seiten, ISBN 978-3-95853-324-6
Dieses Buch gibt eine sehr verständliche Einführung in das Thema falscher Erinnerungen an sexuellen Missbrauch. Diejenigen, denen das Thema neu ist, erhalten hier eine erste Orientierung. Es verhilft sowohl Betroffenen als auch sozialen Hilfsorganisationen, Psychotherapeuten, der ermittelnden Polizei und Verfahrensbeteiligten der Justiz zu einem wissenschaftlich fundierten Überblick.
Was sind falsche Erinnerungen an sexuellen Missbrauch und wie entstehen diese? Wodurch sind Fälle von falschen Erinnerungen an sexuellen Missbrauch gekennzeichnet und was unterscheidet sie von wirklichen Fällen sexuellen Missbrauchs? Welche Historie hat die Entwicklung dieses Phänomens? Welchen Einfluss haben Therapeuten, Lebensberater, Verbände, Ämter? Wie wird im Rechtssystem damit umgegangen? Was sind die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu Erinnerungen und falschen Erinnerungen an sexuellen Missbrauch? Gibt es Zusammenhänge zwischen psychischen Erkrankungen und falschen Erinnerungen? Kann man Erinnerungen an sexuellen Missbrauch vergessen? Wie stellt sich die Situation für zu unrecht Beschuldigte dar, wie ist damit umzugehen? Wie kann jemand, der/die evtl. falsche Erinnerungen entwickelt hat, erkennen, ob ihre/seine Erinnerungen eine reale Basis haben oder nicht? Gibt es Hilfe für Betroffene?
Auf diese und ähnliche Fragen gibt das Buch erste Antworten, hilft, für dieses Thema einen Überblick zu erhalten. Anhand zweier Fallbeispiele, eines aus der Sicht von zu unrecht Beschuldigten und ein weiteres aus der Sicht eines angeblichen Opfers, ist sehr anschaulich dargestellt, wie verheerend die Auswirkungen falscher Erinnerungen an sexuellen Missbrauch für alle Beteiligten sind.
Das Buch gibt zu allen Themen einen guten und allgemeinverständlichen Überblick und komprimiert die einschlägige wissenschaftliche Literatur, über die der Leser die Einzelheiten dann weiter vertiefen kann.
Der Autor zeigt im letzten Teil des Buches auf, welche gesellschaftlichen Aufgaben durch das Vorhandensein von Fällen falscher Erinnerung an sexuellen Missbrauch zu bewältigen sind. Hier ist neben der direkten Hilfe für Betroffene, das sind sowohl die zu unrecht Beschuldigten als auch die, denen falsche Erinnerungen induziert wurden, eine Aufklärung der Öffentlichkeit. Eine zu diesem Thema aufgeklärte Gesellschaft entzieht dem Entstehen neuer Fälle von falschen Erinnerungen an sexuellen Missbrauch den Nährboden.
Der Autor schließt mit der Formulierung der wichtigsten Aufgabe: Die Verhinderung neuer Fälle von falschen Erinnerungen an sexuellen Missbrauch. Sehr berührend endet das Buch mit folgendem Absatz:
Man kann nicht alle in den Brunnen gefallenen Kinder retten. Man kann aber ein Gitter über den Brunnen bauen, damit in Zukunft kein Kind mehr hineinfällt. Dieses Gitter zu bauen ist unser Auftrag.
Von Hans Delfs liegt bereits ein kleines, inzwischen vergriffenes Buch zum gleichen Thema vor: Falsche Erinnerungen an sexuellen Missbrauch, Eine therapeutische Methode, die Familien zerstört, Magdeburg 2013, ISBN 978-3-88074-394-6. Das neue Buch geht in Umfang und Inhalt weit darüber hinaus.