Lengerich 2017, ISBN 978-3-95853-288-5
Unter dem Stichwort „rituelle Gewalt“ sprechen – meist weibliche – Traumapatienten über psychischen und sexuellen Missbrauch in mafiös-kultartigen Szenarien. Bei Betroffenen und in therapeutischen Hilfesystemen wird an der Existenz des Gewaltphänomens festgehalten und in den meisten Fällen eine dissoziative Identitätsstörung angenommen. Polizeiliche Ermittler konnten jedoch bisher in keinem Fall Hinweise auf „rituelle Gewalt“ bestätigen und gehen von einer Art „Fabelwelt“ aus.
Die multimethodale rechtspsychologische Studie von Petra Hasselmann basiert auf Aussagen von mehr als 30 Betroffenen und bietet einen tiefen Einblick in ihre Lebenswelten. Die Traumatisierten erwarten von ihrer Umwelt, dass sie Zweifel an den Gewalt-„Erinnerungen“ ausräumt. Demgegenüber postuliert Hasselmann: Eine konstruktive und offene Befassung mit Zweifeln sowie ein umsichtiges Aufarbeiten des tatsächlich Erlebten oder falsch Erinnerten sind erforderlich, um die offensichtliche Traumatisierung zu bewältigen. Für die Akteure im Hilfesystem ist dazu eine Auseinandersetzung mit Simulation, Glaubwürdigkeit und Glaubhaftigkeit umumgänglich.
Die Studie bietet hilfreiche Einblicke in alle, die sich konstruktiv mit Fragen von Glaubhaftigkeit und Glaubwürdigkeit, falschen und erlebnisbasierten Erinnerungen sowie Selbstbestimmung und Abhängigkeit auseinander setzen möchten: v.a. Engagiert im Hilfesystem und in Ermittlungsbehörden finden in der verständlich geschriebenen Studie zielführende Hinweise.