Paderborn, 2010, ISBN 978-3-87387-645-3
Das Buch von Michaela Huber ist in einigen zigtausend Exemplaren im Fischer-Verlag herausgegeben worden, und erscheint jetzt im Junfermann-Verlag. Die Neuauflage unterscheidet sich von der ursprünglichen aus dem Jahre 1995 nur in unwesentlichen Einzelheiten.
Das Buch versucht von Anfang an unkritische Leser in eine Welt zu führen, in der schwerster Missbrauch in rituell-stanischer Form oder der bestial-sadistische Charakter der Täter und die zwangsläufige Aufspaltung der Persönlichkeit unter schlimmsten Foltern als Gegebenheiten hingestellt werden. Doch selbst gutgläubige und mit der gesamten Thematik nicht vertraute Leser werden schon bei den ersten schlimmen „Fallgeschichten“ sich die Frage stellen: Das was da beschrieben wird, kann niemand überleben, oder wenn, dann mit schwersten, medizinisch offensichtlichen Verletzungen. Wieso werden diese Verletzungen nicht gefunden?
Das Buch ist aber etwas für alle Anhänger von Verschwörungstheorien, denn die werden in ihrer krudesten Form präsentiert. Dass die Behauptungen von rituell-satanischem Missbrauch in großen und gut organisierten Netzwerken mit Opferprogrammierung niemals nachgewiesen werden konnten und zusammen mit ähnlich unglaubwürdigen Darstellungen in hohem Maße zur Diskreditierung der recovered-memory-Therapie und der multiplen Persönlichkeiten in den USA beigetragen haben, scheint die Autorin nicht zu stören.
Im Gegensatz zu manchen anderen Selbsthilfebüchern kommt dieses Buch auf den ersten Blick als wissenschaftliches Buch daher. Es verweist in Fußnoten auf Belegliteratur und hat ein langes Literaturregister. Man muss schon etwas genauer hinschauen, um den eigentlichen Charakter des Buches zu erkennen. Die meisten Beschreibungen und Behauptungen in diesem Buch sind unbelegt; bei den vielen Behauptungen müsste eigentlich auf jedem Absatz eine Belegfußnote stehen. Unter diesen Umständen sind 210 Fußnoten für ein 300-seitiges Buch etwas wenig. Doch erst, wenn man den einzelnen Fußnoten nachgeht, wird der unwissenschaftliche Charakter des Buches wirklich deutlich. Es sind entweder therapeutische Erfahrungsberichte, die vollkommen von der Interpretation ihrer Autoren abhängig sind, oder Verweise auf die auf diesem Gebiet überbordende, aber wissenschaftlich weitgehend diskreditierte Sekundärliteratur. Hinweise auf wissenschaftlich gesicherte Primärliteratur sucht man vergeblich.
Das Buch wurde ursprünglich mitten in der Zeit der amerikanischen „memory wars“ vorgelegt. Man könnte der Autorin zugute halten, dass zu diesem Zeitpunkt noch vieles in der wissenschaftlichen Diskussion umstritten war, was heute einwandfrei klar ist. Dementsprechend müsste man erwarten, dass eine Neuauflage von 2010 viele der inzwischen vorliegenden wissenschaftlichen Ergebnisse einarbeitet. Doch das hat die Autorin nicht getan. Kein Hinweis auf die Arbeit wichtiger Gedächtnispsychologen wie Schacter oder McNally oder des Hypnoseforschers Spanos ziert dieses Buch. Kein Hinweis darauf, dass Multiplizität immer erst in einer Therapie auftaucht, nicht aber vorher. Kein Hinweis darauf, dass 90% der amerikanischen Therapeuten niemals eine multiple Persönlichkeit zu sehen bekommen haben, während 1% aller Therapeuten für für zwei Drittel aller Fälle verantwortlich ist. Kein Hinweis auf den Lanning-Bericht des FBI, der den Behauptungen von organisiertem rituellen Satanismus nachgeht und keinerlei Hinweise darauf gefunden hat.
Zusammenfassend kann man nur feststellen, dass das Buch seit Jahren unverändert eine ideologische Position vertritt, die bei manchen Feministinnen und Therapeuten, vor allem aber bei Verschwörungstheoretikern Beifall finden wird. Die Gefahr dieses Buches liegt einerseits darin, dass es unbefangenen und leichtgläubigen Lesern ein falsches Weltbild vermittelt, und dass es andererseits in den mehr therapeutisch orientierten Kapiteln suggestiblen Personen ein Selbstverständnis als multiple Persönlichkeit nahelegt und falsche Erinnerungen an Missbrauch suggeriert.