München 1995, 498 Seiten, ISBN 3-423-30556-8
Ofshe ist Sozialpsychologe und war als Sachverständiger in den frühen Prozessen zu falschen Erinnerungen tätig. Watters ist Journalist. Das Buch steht historisch am Anfang der „memory wars“ in den USA. Es ist das Buch eines Wissenschaftlers und entsprechend fundiert, aber es wendet sich nicht an Wissenschaftler. Zielgruppe sind alle, die das Thema der falschen Erinnerungen betrifft.
Ofshe baut sein Buch anfangs auf den wissenschaftlichen Ergebnissen der Gedächtnispsychologie auf, geht aber nach einer Analyse, wie falsche Erinnerungen entstehen, sehr schnell zu den Methoden der Trauma-Erinnerungs-Therapien über. In großer Breite setzt er sich mit dem pseudowissenschaftlichen Charakter der Standardwerke der recovered-memory-Bewegung auseinander, insbesondere mit The Courage to Heal (deutscher Titel Trotz allem) von Bass and Davis, Secret Survivors von Blume und Repressed Memories von Fredrickson. Ebenso breit schildert er das Vorgehen der Therapeuten in ihrer Therapie. Er entwickelt seine Feststellungen an Beispielfällen, die er ausgiebig kritisch kommentiert. Sämtliche berühmt-berüchtigten Fälle aus den USA der 90er Jahre finden sich in seinem Buch, aber auch eine große Zahl völlig unbekannter Fälle.
In einzelnen Kapiteln wendet er sich den Übersteigerungen der recovered-memory-Bewegung bei multiplen Persönlichkeiten und satanischen Kulten zu. In seinen Schlussfolgerungen macht er einen Hauptschuldigen für die katastrophale Entwicklung der Trauma-Erinnerungs-Therapien aus: Sigmund Freud! Freud ist in zweifacher Weise schuldig: Zuerst durch seine eigenen „Therapien“, in denen er unter Druck seinen Patientinnen „verdrängte Erinnerungen“ entlockte, zweitens aber, indem er, als seine Verführungstheorie fallen ließ, seinen Patientinnen die Schuld an den verfehlten Therapien gab, statt seine eigenen Fehler einzuräumen: Er sah alle von ihm erpressten Erinnerungen als Fantasien dieser Frauen an und machte damit Generationen psychoanalytischer Nachfolger blind für wirklichen Missbrauch.
Überholt am Buch ist höchstens der Stand der zitierten Publikationen, der sachliche Inhalt ist bei uns in Deutschland nach wie vor aktuell. Allerdings ist die epische Breite der Darstellung ziemlich ermüdend.
Quellenhinweise in einem umfangreichen Register, Bibliographie.