Dass sexueller Missbrauch bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts weitgehend verborgen blieb, hängt damit zusammen, dass die meisten Fälle sich im Familien- oder Freundeskreis abspielen und verheimlicht wurden. Eine wichtige Rolle spielte aber auch die Tatsache, dass Psychotherapien in den Fußstapfen von Sigmund Freud den Frauen, die mit dem Trauma eines tatsächlichen Missbrauchs in Therapie kamen, die Hilfe versagten, weil man diese Erinnerungen als ödipale Fantasien abtat.
Es blieb der feministischen Bewegung vorbehalten, der Stimme der vielen missbrauchten Frauen Geltung zu verschaffen. Jetzt stellte sich heraus, dass in den meisten Fällen die Täter aus dem Familien- und Freundeskreis kamen. Eine Welle berechtigter öffentlicher Empörung erhob sich. Der Ruf nach energischer Verfolgung der Täter wurde laut.
Heute wird sexueller Missbrauch sowohl von Seiten der Strafverfolgungsbehörden als auch von Seiten der Frauenverbände und Opferhilfsorganisationen streng verfolgt. Die Bundesregierung hat, um den Problemen zu begegnen, einen offiziellen Beauftragten dazu eingesetzt.
Die gesellschaftliche Antwort darauf wird weitgehend von den Medien kanalisiert. Sexueller Missbrauch und andere Sexualverbrechen finden sich sehr häufig auf den Titelzeilen der Boulevardblätter. Dabei werden Beschuldigte regelmäßig als Schuldige dargestellt. Die Unschuldsvermutung, die in einen Rechtsstaat gelten sollte, wird dabei ausgehebelt. Häufig genug artet die notwendige Verfolgung sexuellen Missbrauchs in eine Art Hexenjagd aus, bei der bestimmte Opferhilfsorganisationen eine unrühmliche Rolle spielen.
Spektakuläre Fälle von angeblichem massenhaften Missbrauch in einen Montessori-Kindergarten bei Münster oder in Worms wurden von den Vereinen Zartbitter oder Wildwasser betrieben, erwiesen sich aber als Falschbeschuldigungen. Trotz der gerichtlichen Freisprüche gab es dabei auf allen Seiten nur Verlierer. Am schlimmsten waren die Kinder betroffen, die ihren Eltern weggenommen und entfremdet wurden.
So wichtig ein entschlossener Kampf gegen sexuellen Missbrauch ist, er muss aber auch mit Sorgfalt geführt werden, ohne Vorverurteilungen und ohne ideologische Scheuklappen.
Opferbewusstsein und Trauma⇒⇐Fakten zu sexuellem Missbrauch